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P. Stefan Marie Stirnemann
Foyers Saint Joseph
S/C Archevêché
B.P. 2016 Conakry
Rép. de Guinée – W. Afrika

Conakry, den 03.03.09



Liebe Freunde,

es ist für mich eine Freude mit Ihnen wieder in Kontakt kommen zu können, wenn es auch nur mit der Spitze der Feder ist. Ich weiß nicht, was für ein übles Los mich getroffen hat, dass ich keine Möglichkeit mehr zum Schreiben finden kann. Es erübrigt sich weitere Erklärungen zu geben: ich begnüge mich damit meine zwei letzten Wochen zu erzählen.

Ich glaube, dass ich schon einmal erzählt habe, dass wir jeden Dienstag zum „Hof der Wunder" gehen, das ist der Gehweg vor einer Moschee in Conakry. Dieser Gehweg ist übersät mit vielen Familien von Hinkenden, Behinderten, Blinden.... Lauter Menschen, die sich in der größten Not befinden. Sie sind so arm, dass sie nicht einmal ein Dach haben, es sei denn ein Regenschirm. Während den langen, starken Regenszeiten, sehnen sie sich darunter nach dem besseren Wetter. Die Reichsten haben nur einen kleinen Ofen mit einem Topf und warten darauf, dass die guten Moslems, die aus der Moschee kommen ihnen Almosen geben. Frau Nadine Barry und ihr Verein „Guinée Solidarité" hat sich darum gekümmert ihre Kinder zu schulen und wir haben ihnen die nötigen Medikamente besorgt, die wir von „ Medeor" oder „Aviation sans frontière" bekommen haben, oder die wir kaufen, wenn wir sie nicht haben.

Seit zwei Monaten, bin ich total überlastet und kam täglich sehr spät zur Ruhe, denn ich hatte noch alle Aufgaben von unserem Bruder Martin zu erledigen, damit er den längst verdienten Urlaub in seiner Heimat nehmen kann. Nun ist seit einigen Tagen der gute Bruder Martin zurückgekommen und ich dachte mir mit großer Freude: „jetzt werde ich irgendwo für einige Zeit verschwinden und mich endlich bei all unseren guten Wohltäter bedanken." So habe ich meine ganze Post in ein anderes Haus mitgenommen, sie auf einem Tisch ausgebreitet und...... jetzt kann ich endlich persönliche Briefe schreiben! Aber:

DER MENSCH DENKT UND GOTT LENKT!

Am gleichen Tag erfahre ich dass der Bürgermeister Diop entschieden hat den Bürgersteig dieser Moschee von allen Bettlern zu säubern. Erstens sieht es für die Stadt nicht gut aus und zweitens möchte man dort Läden aufstellen, die viel einbringen! So hat man diese arme Behinderte und Blinden beschuldigt, sie seien Banditen, Drogenverkäufer, dass sie sogar Waffen verstecken würden u.ä.m. Wir, die wir diese arme Menschen seit 17 Jahren kennen, wissen, dass das sinnlose Beschuldigungen sind. Es hat zwar schon der eine oder andere Junge Dummheiten gemacht, und kam auch einmal in's Gefängnis, aber das war eine winzige Minderheit unter all diesen Behinderten und Blinden, die unfähig sind Böses zu tun!

Man hat ihnen gesagt, dass das Sozialamt ihnen bis zum 24. Februar Zeit lassen wird weg zu gehen. Aber am Samstag den 21. Februar kam bereits der Stadthalter selber, begleitet mit der Polizei. Sie wurden fortgejagt und Behinderte sogar geschlagen, (zwei wurden verletzt ...das hat man wohl noch in keinem Land gesehen!), man hat ihnen verboten ihre kleinen Habseligkeiten mitzunehmen und hat alles mit einem Räumpflug auf Lastwagen geworfen hin zur städtische Müllablage, wo sich andere Bettler überstürzen, für das, was man hier „qoutou-qoutou" nennt: in einem großen Gedränge kämpft jeder, um zu ergattern, was er kann.

Da der jetzige Präsident ein guter Christ ist, habe ich ihm gleich nach der Sonntagsmesse einen Brief geschrieben, vieles unternommen damit ihn dieser Brief erreicht und er informiert wird über das was da geschieht. Da ich sehr lange bei der Militärwache warten musste, habe ich gemerkt, dass diese Wächter Christen waren. Als sie sahen, dass ich den Rosenkranz bete, haben sie alle mit mir für den Präsidenten und die anderen Verantwortlichen gebetet. Ich habe erfahren, dass er ein paar Stunden später einem Staatsstreich entkommen ist.
Am Abend, da die Kasse leer war, wie gewöhnlich, musste ich 250,- Euros ausleihen, damit ich diesen armen Unglücklichen im Hof des Sozialamtes etwas zu essen bringen kann. Als ich ein paar Tage später für diese Armen wieder etwas ausleihen wollte, hat der gute Mann, der uns gewöhnlich zur Hilfe kommt, doch etwas gemeckert und gesagt: „Pater, sie sind uns bereits 19 000,- Euros schuldig, meine finanzielle Situation kann es nicht mehr tragen!"

In den darauf folgenden Tagen wollte ich mich ernstlich an meine Post setzen. Aber es war wie wenn mir der Herr sagen würde, dass ich mich zuerst um die Situation dieser armen Leute kümmern sollte

.AUSSETZUNG DES ALLERHEILIGSTEN.

Diese Unglücklichen haben alle inzwischen Zuflucht gesucht im Hof der „Cité de Solidarité“, die unter der Zeit von Sékou Toure für die Blinden und Behinderten erbaut wurde. Aber auch hier haben sie nur im Hof auf der Erde Platz gefunden. Sie haben absolut nichts mehr, weder Regenschirm noch Schüsseln, die Kinder haben all ihr Schulmaterial verloren und können auch nicht mehr zur Schule gehen, weil man sie weit weg vertrieben hat. Die meisten haben nicht einmal mehr eine Unterlage, wo sie sich draufsetzen oder liegen könnten, manche haben Tücher. Ich könnte Ihnen ein Bild schicken, von einem Blinden, viel magerer als ich selber. Sein ganzer Besitz ist ein Stück Karton auf dem er schläft. Er hat noch kein Testament geschrieben für den, der sein Hab und Gut nach seinem Tod erben sollte!

Freunde aus der Umgebung von Regensburg haben mir zwei schöne Pavillons geschenkt. Einer davon dient dazu den Altar und den Priester während dem Gottesdienst zu schützen, denn unsere Kirche hat kein Dach. Der Zweite sollte das Allerheiligste schützen, während unserem tagelangen Pilgerweg im Mai. Ich habe mich an unser Theologiestudium erinnert, wo wir gelernt haben, dass man Jesus auf unserer Erde zweimal berühren kann: in der Eucharistie, wo Jesus mit Fleisch und Blut gegenwärtig ist, und..... in den Armen, weil Er gesagt hat: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." Der Hl. Martin hat die Hälfte seines Mantels einem Bettler geschenkt und Jesus erschien ihm im Traum mit dem Mantel und sagte: „Danke Martin, du hast mich gekleidet.“

Weil diese Pavillons zur Aussetzung des Allerheiligsten gedacht waren, habe ich mich dazu entschieden, das Allerheiligste im Hof der „Cité de Solidarité“ auszusetzen, nicht in der eucharistischen und geheimnisvollen Form sondern ganz Konkret in der Gestalt der Unglücklichsten dieser Armen. Diese zwei Pavillons beherbergen nun ein paar von diesen Blinden und Behinderten. Das ist auch eine Aussetzung des Allerheiligsten!

In den nächsten Tagen werden wir bei den Ministerien und Botschaften anklopfen um dringende Hilfe an Lebensmittel und Zelten zu betteln.

Da ich nun nicht zu einem persönlichen Dankschreiben gekommen bin, habe ich entschieden mich heute nicht zur Ruhe zu legen, bevor ich nicht wenigstens diesen Rundbrief geschrieben habe. Es ist nun ein Uhr in der Früh vorbei und ich bin froh es geschafft zu haben. Ich habe mein Versprechen gehalten. Ruhigere Zeiten werden auch wieder kommen..... und ich werde dann auch endlich persönlicher schreiben können.

Vorerst möchte ich mich ganz herzlich bedanken für Eure Geduld und Treue, Euer Gebet oder finanzielle Unterstützung, obwohl die lang ersehnte Antwort nicht gekommen ist.

In tiefer Dankbarkeit grüßt herzlich



PS:
Ich habe erfahren, dass bei vielen mein letztes Schreiben im Herbst nicht angekommen ist. Wer es nicht erhalten hat kann sich an meine Schwester wenden.
Sr. Rudolfine Stirnemann, Furtmayrstr. 23, 93053 Regensburg Tel. 0941-4024733

Spendenkonto: Hoffnungsstern über Conakry
Nr. 1371363 Ligabank Regensburg BLZ 75090300

 
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